Stephanie Ball, Grundschullehrerin aus Regensburg, die in den Sommerferien 2012 ehrenamtlich an der Pitseng High School geholfen hat.

Anfang des Jahres 2012 las ich mit großer Begeisterung Dr. Irina André-Langs Buch „Kap meiner Hoffnung“, denn durch einen 4-wöchigen Aufenthalt in Südafrika 2011 war auch bei mir die Faszination für dieses Land entfacht. Wer ihr Buch bereits gelesen hat, weiß, wie schwer es ist, dieses Buch aus den Händen zu legen, wenn man es zu lesen begonnen hat. So erging es auch mir, sodass das Buch nach zwei Tagen beendet war und mich die Frage umtrieb, wie ich mehr über Lesotho und seine Menschen erfahren könnte.
Lange Rede – kurzer Sinn: Ich nahm via E-Mail Kontakt zu Irina auf, und da ich während meines Aufenthaltes in Südafrika bereits ehrenamtlich tätig gewesen war, schien mir die Möglichkeit, mit Schülern in Lesotho zu arbeiten, als eine große Herausforderung. Zu Recht war Irina zunächst sehr skeptisch. Nachdem ich ihr aber von meinen Erlebnissen in Südafrika berichtet hatte, wurde die Idee, nach Lesotho zu gehen, langsam konkreter, und irgendwann stand fest, dass ich mit Beginn der bayerischen Sommerferien nach Lesotho reisen würde.

Im Vorfeld wurde bereits ersichtlich, dass die Kommunikation mit Pitseng keineswegs einfach ist, denn häufig dauerten Antwort-Mails mehrere Wochen, sodass ich bis zu meiner Abreise nicht sicher sein konnte, ob ich am Flughafen Maseru abgeholt werden würde. Ich stellte mich also darauf ein, möglicherweise mit Sammeltaxen meinen Weg von Maseru nach Pitseng antreten zu müssen. Umso größer war meine Freude, als sich die Türen zur kleinen Ankunftshalle am Flughafen Maseru öffneten und ich von einer großen Schar Lehrer und Schüler in Empfang genommen wurde.


Als wir nach dreistündiger Fahrt inklusive Picknick mit dem traditionellen Maisbrei und Cabbage in Pitseng ankamen, war ich nicht nur total müde und durchgeschüttelt (der letzte Kilometer wurde auf einer Buckelpiste zurückgelegt), sondern gleichzeitig auch hellwach, da ich trotz Dunkelheit eine große Menge Menschen auf der Straße sowie deren Singen und Freudenlaute wahrnehmen konnte: Mich begrüßten nämlich viele Schüler und hießen mich herzlich willkommen.
Eine kleine Wohnung, die liebevoll eingerichtet worden war, sollte mein Zuhause für die nächsten viereinhalb Wochen werden. Obwohl ich bereits Südafrika-Erfahrungen hatte und wirklich überall sehr herzlich aufgenommen wurde, fielen mir die ersten Tage doch schwer, denn es war kalt, ständig gab es Stromausfall (powercut), an das Plumpsklo und das Nichtvorhandensein eines Badezimmers geschweige denn einer Dusche musste ich mich erst einmal gewöhnen, und zudem war ich es nicht gewöhnt (aufgrund der Kälte und der Dunkelheit bei Stromausfall), bereits um 18 Uhr ins Bett zu gehen.
Die ersten Tage verliefen sehr ruhig, da ich am Wochenende angekommen war und somit keine Schule war. Dennoch liefen tagsüber viele Schüler schnatternd auf dem Schulhof herum, waren zunächst etwas zurückhaltend, als sie mich erblickten – aber nach einem ersten Lächeln umringten sie mich und bestürmten mich mit Fragen über Deutschland.


Nachdem ich mich akklimatisiert hatte, konnte ich mich auf meine Arbeit konzentrieren: Schnell war klar, dass mir als Grundschullehrerin das Rüstzeug und die Sprachkenntnisse fehlen, um in überfüllten Klassen (teilweise mehr als 50 High-School-Schüler in einem Klassenzimmer) zu unterrichten.
So bestand mein Aufgabengebiet vor allem darin, die ungeordnete und schmutzige Schulbücherei auf Vordermann zu bringen. Da diese täglich in mindestens drei Schulstunden von jeweils einer anderen Schulklasse aufgesucht wird, hatte ich auch regen Kontakt zu den Schülern. Beim ersten Besuch der Schulbücherei war ich über das Verhalten der Schüler sehr erstaunt: Sie kamen in die Bücherei, griffen sich wahllos ein Buch, setzten sich auf einen der in Reih und Glied geordneten Stuhlreihen, zogen sich ihre Hoodies oder Kapuzen über den Kopf und verharrten 45 Minuten in dieser Position. Mein Eindruck, dass sie tatsächlich ohne zu überlegen irgendein Buch griffen, in dem sie lediglich ihr Gesicht versteckten, ohne jedoch zu lesen, bestätigte sich, als ich mir die Buchtitel anschaute. Sie griffen sich politische Bücher über die UNESCO, Betriebswirtschaftslehre oder aber Mathematik. Schnell stellte sich heraus, dass sie noch kaum Lesekultur besitzen und ihnen die Ordnung der Bücherei nicht bekannt war. Verständlich, denn diese Bücherei hatte bisher keine Ordnung. Sie war auch in keinster Weise gemütlich, sondern wirkte kalt und schmutzig. Dicke Staubschichten überlagerten die Bücher und Regalbretter.

 


In den nächsten Wochen stellte ich die Bücherei komplett auf dem Kopf, sortierte die Bücher neu, nachdem wir sie und die Regalbretter gesäubert hatten, um zum Schluss eine halbwegs geordnete Bücherei zu hinterlassen.



Natürlich gelang es mir in den wenigen Wochen nicht, große Freude am Lesen zu wecken, aber die Atmosphäre hatte sich bei den Büchereibesuchen verändert. Die Schüler fragten nach, wo sie ein Buch finden konnten, und sie hatten nicht jedes Mal ihre Kapuze auf dem Kopf, wenn sie die Bücherei betraten. Besonders große Freude herrschte, als die englischsprachigen Bücher aus Deutschland ankamen, die Regensburger Büchereien organisiert und nach Lesotho versandt hatten.
Unter anderem befanden sich Harry-Potter-Bücher in den Paketen, und auch in Lesotho ist diese Literatur-Figur bekannt. Das waren neben vielen anderen Büchern aus Deutschland die ersten Bücher, die die Schüler ausleihen wollten.


Neben der Arbeit in der Bücherei hatte ich viele Kontakte zu den Schülern, den Lehrern und den anderen Angestellten der Schule.
Ich wachte jeden Morgen um spätestens 5:45 Uhr auf, da um diese Zeit die ersten SchülerInnen in die Klassenräume zum Lernen gingen. Spätestens um 6:15 Uhr mussten alle Internatsschüler in den Klassenräumen sein, um zu lernen. Mir ist es bis dato schleierhaft, wie sich die Kinder aufs Lernen konzentrieren konnten, denn es war teilweise bitterkalt und die Kinder hatten leere Mägen bzw. lediglich eine Tasse Tee und eine Scheibe trockenes Brot zu sich genommen. Um viertel vor Acht trafen sich dann alle zum Morgenappell.


Dort wurde nicht nur gebetet und gesungen, sondern einzelne Schüler boten Gedichte oder kleine Reden dar.
Besuchte man die einzelnen Klassen, so war ich jedes Mal erstaunt über die Fülle in den Klassenräumen (in der Regel mehr als 40 Kinder), die müden Gesichter, die Kälte und die Tatsache, dass in Afrika Kinder manchmal geschlagen werden, wenn sie nicht aufpassen, keine Hausaufgaben haben oder aber dem Lernstoff nicht gewachsen sind. Ich lernte aber auch engagierte LehrerInnen kennen, die sich bemühten, in diesen überfüllten Klassen die Schüler zum Lernen zu motivieren, und ich war erstaunt über die Fähigkeit der Schüler, Gedicht zu verfassen und vorzutragen.  Immer wieder wurde in den Gesprächen mit ihnen deutlich, wie wichtig die Unterstützung aus Deutschland ist. Einige von ihnen waren zuvor wirklich hoffnungslos gewesen und hatten durch deutsche Hilfe sowohl Kleidung als auch Nahrung oder schulische Unterstützung bekommen, und das ließ ihre Lebensfreude wieder erwachen.



Häufig besuchten mich Schüler in meiner kleinen Wohnung, und bei Tee und Keksen wurden immer wieder viele Fragen über das Leben in Deutschland gestellt. Aber die älteren, teilweise hoch intelligenten, aufgeschlossenen und fleißigen Schüler stellten mir auch Fragen, auf die ich bis dato keine zufriedenstellende Antwort gefunden habe: „Wie schaffen wir es, dass sich unser bitterarmes Land entwickeln kann und wir jungen Menschen in diesem Land eine faire Chance bekommen?“


Daneben erlebte ich Schnee,


 die Herstellung des immergleichen Mittagessens: Maisbrei und Kohl,



Schüler und Kindergartenkinder, die Brennholz für die Schule sammelten,



und viele, viele liebenswerte Menschen!




Ich erlebte eine hoch engagierte Schulleiterin, die nur in wenigen Momenten ausgelassen sein konnte,



und war immer wieder fasziniert von den Schülern, die sich nicht unterkriegen lassen und sich in vielen Momenten wie „normale Teenager“ benahmen (schwatzten, tanzten, kicherten …) und Träume und Hoffnungen haben …



… und dennoch immer wieder einen traurigen Blick bekamen, wenn sie Bilder meiner Familie sahen, die sie immer wieder als „Happy Family“ bezeichneten und meine Kinder um ihr Glück, in Deutschland aufwachsen zu dürfen – ohne Hunger, Kälte und Armut -  beneideten.

Es gäbe noch so viel zu erzählen über meine Eindrücke von dem „Mountain Kingdom Lesotho“ …



… und den wunderbaren Menschen in der Pitseng High School. Wer mehr erfahren möchte, kann mich gerne über This e-mail address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it. kontaktieren.

Mich haben viele Begegnungen tief berührt und häufig wurde mir die Frage gestellt, ob ein Besuch vor Ort nicht frustrierend sei angesichts der Lebensumstände, in denen die Menschen dort leben.

Es ist sicherlich sehr einprägend und man kehrt mit einem veränderten Blick auf das Leben in Deutschland zurück, aber in dieser Zeit baut man auch Beziehungen zu den Menschen in Pitseng auf, es entstehen Freundschaften und ich freue mich jetzt schon auf den Moment, an dem ich Lesotho, die Basothos und Pitseng wiedersehen darf!